Jeder führt seine Übungen mit einer Technik nach bestem Wissen und Gewissen aus.
Klar, niemand will sich verletzen und jeder möchte Fortschritte machen. Dass trotzdem nicht jeder eine guteTechnik hat, ist allerspätestens offensichtlich, wenn man eine „Best Gym Fail Compilation“ bei YouTube gesehen hat. Oder sich in seinem Studio umguckt.
Ambitionierte Sportler – also auch Du – haben ein Idealbild bestimmter Übungen vor Augen. Stell Dir jetzt einmal die optimale Technik eines Deadlifts vor. Das dürfte Dir nicht schwerfallen.
Wahrscheinlich hast Du gerade Deinen Trainingspartner, der einen guten Deadlift kann oder jemanden, den Du in einem Video gesehen hast, im Kopf. Aber was ist, wenn der Sportler, dessen Bewegung ich mir gerade vorstelle, zwei Köpfe größer ist und ein anderes Verhältnis zwischen Ober- und Unterkörper hat als Dein Trainingspartner? Du wirst uns zustimmen, dass das optisch einen extremen Unterschied macht.
Kann also wirklich von einem allgemeingültigen technischen Idealbild gesprochen werden?
Unserer Meinung nach nicht. Denn jeder Mensch ist mindestens hinsichtlich Anatomie, Skill-Level und Verletzungshistorie unterschiedlich. Warum sollte dann jede Übung bei jedem Menschen gleich aussehen?
Gibt es trotzdem technische Prinzipien, die immer gelten und die sich auf alle Übungen übertragen lassen?
Ja, die gibt es! Was eine gute Technik auszeichnet, liest Du in unseren 6 Prinzipien überragender Technik.
1. Minimaler Stress auf passive Strukturen
Wenn es um Übungstechnik geht, ist das übergeordnete Ziel, Deine Muskulatur stark zu beanspruchen. Bei gleichzeitig minimaler Beanspruchung Deiner passiven Strukturen. Gemeint sind vor allem Gelenke und Bänder. Das bedeutet, dass Du eine Übung niemals in Deinen Gelenken spüren darfst. Du solltest immer fühlen können, welche Deiner Muskeln bei den einzelnen Bewegungen die Arbeit machen.
Lerne, diese Hinweise Deines Körpers zu verstehen und erziele schmerzfreien langfristigen Erfolg.
2. Aktives vollständiges Bewegungsausmaß (Active Full Range of Motion)
Ein Training im kompletten Bewegungsausmaß ist wichtig. Aber leider nur die halbe Miete. Gerne wird das Wesentliche vergessen: die aktive Kontrolle Deiner Übung während jedes einzelnen Zentimeters der Bewegung.
Dadurch wirst Du lernen, Deine muskuläre Spannung auch in extremen Gelenkstellungen – also ganz am Anfang und ganz am Ende einer Bewegung – aufrechtzuerhalten. Das ist nicht nur effektiver hinsichtlich Muskelaufbau, sondern auch hinsichtlich Mobilität und Verletzungsprävention.
Ein Beispiel:
Eine Übung beginnt mit einem komplett auf Länge gebrachten aktiven Zielmuskel und endet in der vollständigen aktiv kontrahierten Position. Nehmen wir hier den Klimmzug und bezeichnen der Einfachheit halber den M. latissimus dorsi als Zielmuskel. Eine Wiederholung startet mit komplett gestreckten Armen und dem Kopf zwischen – nicht hinter – den Oberarmen. Sie endet, wenn die Schlüsselbeine so nah wie möglich Richtung Stange gebracht worden sind und wenn die Ellbogen maximal nah an den Rippen sind – nicht, wenn das Kinn irgendwie über die Stange bewegt worden ist.
Es geht um eine vollständige Kontraktion und um völlige Kontrolle über die Bewegung und ihr Ausmaß, nicht um eine möglichst große Bewegung.
3. Ziel der Übung
Erinnere Dich immer wieder daran, was eigentlich das Ziel Deiner Übung ist. Der Punkt schließt an den vorhergehenden an, denn es ist nicht das Ziel von Krafttraining, ein Gewicht von Punkt A nach Punkt B zu bewegen. Wesentlich ist wie Du das Gewicht bewegst, wo dessen Bewegung beginnt und wo sie endet. Wo Punkt A und wo Punkt B ist.
Wenn jemand Back Squats macht, damit sein Quadrizeps stärker wird, dann ist die Übung erstmal keine schlechte Wahl. Wenn er aber von Satz zu Satz oder von Kilo zu Kilo, das er auflegt, weiter vorgelehnt squattet, dann kann er vielleicht nach und nach mehr Gewicht bewegen aber mehr Arbeit verrichtet sein Quadrizeps nicht.
Das ist nicht direkt schlimm – wer bewegt nicht gerne mehr Gewicht – aber hinsichtlich seiner Zielsetzung macht es wenig Sinn. Er trainiert am Ziel vorbei.
Denke immer daran, Spannung in der Muskulatur aufzubauen, die Du ansprechen willst.
4. Beständigkeit der Technik
Unbeständigkeit in der Übungsausführung kann fälschlicherweise zu dem Eindruck führen, dass jemand stärker geworden ist. Das kann zu dem Irrglauben führen, dass er das Prinzip des stetigen progressiven Overloads einhält, obwohl er nur jede Woche bei den Back Squats weniger tief, weiter vorgelehnt und weniger neutral in der Wirbelsäule ist.
In Wirklichkeit wird er nicht stärker, er verringert nur kontinuierlich die biomechanischen Anforderungen, die auf seinen Quadriceps wirken. Dieses häufige Phänomen wird ihn sehr wahrscheinlich nicht an sein Ziel bringen.
Natürlich verstehen wir den Wunsch, kontinuierlich mehr Gewicht aufzulegen. Aber nur, solange es nicht auf Kosten der Technik passiert. Wenn durch ungünstige Technik mehr Gewicht bewegt werden kann, wirst Du mehr Gewicht benötigen, um die gleichen Endresultate zu erzielen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass Du Deinem Bewegungssystem unnötigem Stress aussetzt.
Wahrscheinlich ist das nicht die beste Idee für langfristigen schmerzfreien Fortschritt.
Deine Technik sollte von Anfang bis Ende eines Satzes einwandfrei sein. Sobald Du sie nicht mehr einhalten kannst, solltest Du deinen Satz beenden.
5. Neutrale Wirbelsäule
You can’t fire a cannon from a canoe!
Charles Poliquin
Denke immer an diese Aussage bevor Du Dein Training beginnst, denn ein wesentlicher technischer Aspekt beinahe jeder Übung – mit wenigen Ausnahmen – ist es, die Wirbelsäule in einer neutralen Position zu halten. Neutral bedeutet, die Wirbelsäule in seiner natürlichen Form zu halten und innerhalb der Segmente der Wirbelsäule keinerlei Bewegung zuzulassen.
Das gilt für Squats, Dead- oder Olympic Lifts, vorgebeugtes Rudern, Liegestützvariationen und noch vieles mehr. Bei einigen Übungen wie z. B dem Bankdrücken befindet sich die Wirbelsäule nicht in einer neutralen Form, trotzdem sollte in der etwas abgewandelten Form keine Bewegung stattfinden.
Wie funktioniert’s? Gesäß anspannen, Bauch anspannen, Schulterblätter nach hinten-unten ziehen, einen langen Hals und ein leichtes Doppelkinn machen. Alles gleichzeitig. Schon vor der ersten Wiederholung, während der restlichen und bis nach der letzten Wiederholung.
Diese Spannung im ganzen Körper, eine starke Basis, wird Dir helfen, insgesamt mehr Gewicht zu bewegen und eine saubere Form zu behalten.
6. Tagesform
Jeder Mensch hat gute und schlechtere Tage. Das kann sich auf viele Weisen äußern.
Du bist dauernd aufgewacht letzte Nacht, die Schule, die Uni oder der Job waren anstrengend. Nach so einem Tag wäre es kein Wunder, wenn Du nicht ganz so viel Energie wie üblich und auch ein paar Einbußen hinsichtlich Deiner Kraft hättest.
Das passiert, es kann nicht immer rund laufen. Geh ins Studio, bekomme den Kopf frei, power Dich aus. Aber erzwinge nichts.
Du musst nicht jede Woche mehr Gewicht bewegen oder mehr Wiederholungen schaffen als letzte Woche. Schon gar nicht an Tagen, an denen Du Dich nicht gut fühlst. Höre vor allem in solchen Momenten auf die Signale, die Dir Dein Körper zu senden versucht.
Wenn Du Wiederholungen erzwingst, nur um am Ende vermeintlich das gleiche geleistet zu haben wie in der Vorwoche, dann leidet zwangsläufig die Technik an irgendeinem der oben genannten Punkte. Zu Lasten Deiner Gesundheit und damit Deines kontinuierlichen Fortschritts.
Behalte diese Tipps immer im Hinterkopf und wende sie bei jeder Übung und bei jeder einzelnen Wiederholung an. Sei hierbei selbst Dein größter Kritiker. Damit ist kontinuierlicher, schmerz- und verletzungsfreier Fortschritt garantiert und Du wirst beste Ergebnisse erzielen.